Kennst Du das?

Du schaust dir irgendeinen DJ Post auf Facebook an.

Du kommentierst eine Funktion eines neuen Mixers.

Oder eröffnest einen Thread in einer DJ Community.

Und plötzlich postet irgendeiner IMMER in den Kommentaren…

Du ist kein Echter DJ, Du drückst doch nur den SYNC Knopf!

Hast Du das schon mal gehört, gesagt bekommen oder irgendwo gelesen?

Ich weiß ja nicht wie es dir geht, aber Ich kann es echt NICHT mehr hören.

Und ganz ehrlich, mal ganz davon abgesehen, dass ich die Aussage für Quatsch halte, verstehe ich Eins nicht!

Woher kommt dieses ganze HATEN unter DJs überhaupt? Warum machen wir das?

Es gibt so viele andere Probleme wie unseriöse Veranstalter, Abzocke bei der Gage, zu viel neue Musik, schwieriges Publikum, neue gesetzliche (GEMA-) Regelungen, kompliziertere Technik und extrem hohe Hardwareanforderungen, etc. bei denen wir uns unterstützen sollten, als uns gegenseitig runterzumachen mit welchem Equipment einer auflegt.

Naja, meine Meinung jedenfalls.

Ist es Heute einfacher Aufzulegen als Früher?

Ich will ja gar nicht behaupten, dass der Einstieg ins DJing heute nicht einfacher geworden ist, als noch vor 10 Jahren.

Es gibt den Sync-Button, es gibt Beat-Grids, die Quantize Funktion, Software die den Key eines Songs bestimmt und Du kannst die Waveforms eines Tracks sehen.

Ich verstehe nur nicht ganz, warum das etwas Schlechtes oder Negatives sein soll?

Kannst Du mir das erklären?

Vielleicht weil Du früher erst einmal wochenlang üben musstest, um manuell Beatmatchen zu können und so viele „Schlechte“ oder „Untalentierte“ oder „Möchtegern“ DJs auf diese Weise bereits aussortiert wurden?

Möglich dass deswegen ein paar Leute abgeschreckt wurden, aber heute musst Du dafür an anderer Stelle Durchhaltevermögen zeigen.

Als junger DJ Anfänger musst Du heute wesentlich weitere Strecken zu deinen Gigs in Kauf nehmen. Die Gagen dafür decken kaum noch die Kosten. Du musst auf Facebook, SoundCloud und Mixcloud sein, um Events zu promoten oder überhaupt erst gebucht zu werden. Und wehe Du hast nur ein paar hundert Fans. Dann hast Du ein Problem, denn Veranstalter erwarten, dass Du Leute und Fans in den Laden ziehst. Ach ja und gut aussehen wäre natürlich auch nicht schlecht… bringt mehr Frauen in den Laden.

Also wenn es darum geht, die Leute auszusortieren, die gar nicht den Willen, das Engagement oder die Motivation haben, wirklich DJ zu werden, dann funktioniert das genauso gut, wie früher die Hürde mit dem Beatmatching!

Ein weiteres häufiges Argument ist…

Nur mit Vinyl lernst Du Echtes Beatmatching

Mit der Aussage (muss ich zugeben) stimme ich zu 100% überein.

Denn jetzt mal ganz ehrlich. Wenn auf dem linken Deck 100 BPM steht und jetzt verschiebe ich rechts den Pitch-Regler, bis auf dem Deck ebenfalls 100 BPM steht, ist das dann manuelles Beatmatching?

Nicht wirklich oder?

Aber genau das ist die ganze Funktion des SYNC-Buttons.

Wenn Du wirklich manuell Beatmatchen willst, dann solltest Du dafür schon deinen Bildschirm ausschalten bzw. überhaupt nicht erst auf das Display schauen. Zwei Tracks anzugleichen ohne BPM Anzeige, ohne Cue Punkte und ohne visuelle Unterstützung durch Waveforms, das ist für mich manuelles Beatmatching.

Macht es Sinn das zu können?

Natürlich!

Ist es notwendig, um vor Publikum aufzulegen?

Nein, warum auch?

Vinyl hat eine wesentlich bessere Soundqualität

Ich bin kein Soundspezialist und meine Ohren sind auch nicht mehr die besten, aber wie bitte soll das gehen?

Ein Song wird im Studio produziert und als Lossless Datei gespeichert. Diese Datei kannst du als WAV-File bei vielen Anbietern direkt kaufen. Eine bessere Qualität gibt es nicht.

Aber selbst bei einer 320 kbit MP3 oder 256 AAC aus iTunes hörst du in fast allen Fällen keinen Unterschied zum WAV oder AIFF-File.

Viel entscheidender für die Soundqualität ist das Mastering, die Qualität deines Equipments und wie gut Du es einstellen und anpassen kannst.

DJ Controller sind nur Spielzeug, für dass man kein Talent braucht

Also wenn ich mir die momentan besten DJs der Welt anschaue:

• Bestbezahlter DJ der Welt – Calvin Harris
• #1 gewählter DJ der Welt vom DJ Mag – Hardwell
• Legenden die seit 20 Jahren erfolgreich sind – Carl Cox
• RedBull Thre3Style Weltmeister – Eskei83

Alle spielen Sie digital. Manche mit Controller, manche mit CDJs und manche mit DVS. Was aber nicht bedeutet, dass Sie nicht in der Lage wären, auch mit Vinyl aufzulegen.

Nein, es bedeutet einfach nur, dass Sie nicht der Meinung sind „Alt ist automatisch besser“ und „neu ist weniger real“.

Es ist nur mal so, dass jeder von uns auf andere Weise lernt. Und die Tools und Hilfsmittel mit denen wir lernen, sich dabei ständig ändern. Aber das eigentliche Ziel, warum wir eine bestimmte Fähigkeit, Technik oder ein Handwerk lernen, bleibt immer dasselbe…

Denn worum geht es beim Auflegen denn eigentlich?

Darum, dass Du die Leute zum Feiern bringst. Alles andere ist doch erst einmal unwichtig!

Und findest Du es nicht auch komisch, dass irgendwie nur DJs diese Diskussion zu führen scheinen?

Oder ist es bei Fotografen genauso?

Da braucht man heute schließlich auch nicht mehr eine teure Kamera und exzellente Photoshop Kenntnisse, sondern kann sein iPhone nutzen und einen Filter drüberlegen oder?

Um mit Vinyl zu Spielen braucht man noch Liebe zur Musik

Okay, Ich verstehe vollkommen wo das herkommt. Heute kommt mittlerweile so viel neue Musik jeden Tag heraus, Du weißt als DJ manchmal gar nicht mehr wohin damit. Dazu kommt, dass ein einzelner Track heute fast gar nichts mehr kostet im Vergleich zu den bis zu 11,99€ früher für eine Single.

Wie sollst Du da die Musik überhaupt noch wertschätzen?

Erst letzte Woche hab ich einen Mix im Radio gehört. Der DJ spielte einen Track, von dem ich mir 100%-ig sicher war, dass ich ihn auch habe. Aber glaubst mit fällt der Name oder der Interpret ein?

Kein Shazam und kein DJ Kollege konnten helfen.

Irgendwann diese Woche war endlich die Trackliste des Mixes online und sobald ich den Titel wieder sah, dachte ich „Oh man, na klar!„.

Wenn ich jetzt nicht zu Hause sondern im Club auflegen gewesen wäre, hätte ich keine Chance gehabt, den Song in meiner Library zu finden. Und ich denke, das liegt schon daran, weil der Track einfach nur eine Datei unter Tausenden anderen ist, die sich auf meiner Festplatte befinden.

Früher konnte ich mich an das Album Cover erinnern, wie ich mir die Finger beim Öffnen an der Kante aufgeschnitten habe oder wie ich 10 Minuten überlegt habe, ob ich die Scheibe noch mitnehmen soll, weil ich schon wieder bereits 100€ ausgegeben habe.

Also ja, auf der einen Seite muss ich sagen, war das Gefühl Dienstags Abends nach dem Plattenladen nach Hause zu kommen und die gekauften Scheiben zu spielen ein ganz anderes, als wenn ich heute 10 Tracks von einem DJ Pool herunterlade und in meine iTunes Library ziehe.

Weil es mehr ZEIT und mehr GELD gekostet hat.

ABER…

Wenn Du willst, dann kannst Du dir heute als DJ hunderte Stunden lang Tracks auf SoundCloud anhören, von Producern, die früher NIE auch nur die Chance gehabt hätten, ihren Song auf Vinyl pressen zu lassen und zu veröffentlichen.

Wenn Du also bereit bist Zeit zu investieren, dann kannst Du dir damit heute eine einzigartige Musiklibrary aufbauen mit Songs, die außer dir fast keiner spielt.

Früher gab es diese Vielfalt gar nicht und jeder DJ kaufte mehr oder weniger dieselben Scheiben (nur vielleicht auf unterschiedlichen Samplern).

Mit Vinyl musste man seine Scheiben noch auswendig kennen

Der Punkt stimmt definitiv!

Ich meine, wenn Du dir eine Platte nicht komplett angehört hast, konntest Du auch nicht wissen ob es:

• ein Intro oder Outro gibt
• ein Break vorhanden war
• wo der Höhepunkt des Songs ist
• wo sich Drops befinden
• etc.

Außerdem war es noch gut, sich einen Kleber an die Seite zu machen, um den Startpunkt des Tracks zu markieren.

Heute musst Du das nicht mehr unbedingt.

Eine grafische Waveform liefert dir Informationen, wie der Track ungefähr aufgebaut ist. Instant Doubles kopiert den laufenden Track synchron auf ein anderes Deck und Software wie Mixed In Key analysiert automatisch deinen Song und setzt Cue Punkte an den relevanten Stellen. Da musst Du dir die Songs nicht mehr unbedingt anhören, bevor Du sie im Club auflegst.

Und ernsthaft, wenn ich mir die Laptops vieler Kollegen anschaue, dann denke ich, machen das tatsächlich auch nicht mehr viele.

Nix Analysiert, Keine Cue-Punkte, keine Loops, keine sauberen Genre-Bezeichnungen.

Es sieht so aus, als wären die meisten Lieder gerade eben noch heruntergeladen und schnell in die Library gezogen worden.

Aber.

Das bedeutet ja nicht, dass Du es so machen musst. Wenn Du dir eine Routine zulegst mit:

• Tracks analysieren
• Cue Punkte setzen
• richtig benennen
• Key bestimmten
• passenden Transitions überlegen

Dann kennst Du deine Songs besser, als das früher überhaupt möglich war und hast plötzlich ganz neue Möglichkeiten zur Verfügung. Du musst sie nur nutzen.

Fazit…

Was bedeutet das jetzt zusammengefasst?

Was ist, wenn du das DJing nicht mehr mit Vinyl, sondern nur „digital“ gelernt hast?

Dann ist das völlig okay und macht dich deshalb nicht zu einem schlechteren oder halben DJ!

ABER…

Wenn Du mal die Chance hast, Vinyl auszuprobieren, dann wird dir das als DJ garantiert nicht schaden.

Genauso, solltest Du aber auch mal eine andere DJ Software (Serato, Traktor, Ableton, Pioneer, Virtual DJ) testen, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet. Jede Plattform bietet andere Möglichkeiten und so kannst Du immer etwas dazulernen.

Aber auch wenn Du lediglich mit Vinyl auflegst. Dann ist auch das in Ordnung! So habe Ich auch angefangen.

Und selbst wenn für dich jemand der mit einem Controller auflegt, kein RICHTIGER DJ ist, dann ist auch das völlig okay.

Was jedoch NICHT OKAY ist, ist rauszugehen und herumzuerzählen, dass andere DJs nicht „REAL“ sind, nur weil Sie nicht DEINER Vorstellung von „REAL“ entsprechen.

Findest Du das nicht auch traurig, dass wir als DJs obwohl wir eigentlich soviel gemeinsam haben (Liebe zur Musik, den Willen Leuten neue Tracks zu zeigen und dafür zu sorgen, dass sie Spaß haben und den Alltag vergessen können), uns ständig nur darüber streiten, welches Medium dafür am Besten geeignet ist?

Google+ Tobias Laemmle