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Schlechtester DJ Resident Job der Welt?

Krasse Partys, teure Hotels, First Class Flüge, schnelle Autos immer kostenlose Drinks und dieses Kribbeln vor einem Gig.

Jeder von uns hat eine andere Vorstellung, wie das Leben eines erfolgreichen DJs aussieht.

Und manche DJs leben genau auch diesen Lifestyle. Die meisten von uns aber, können wahrscheinlich eine ganz andere Geschichte erzählen: Wir sind nicht die No #1 was rumänisches Minimal angeht. Wir mixen nicht geschickt und einfallsreich nahtlos Track an Track, Genre an Genre aneinander, während die Leute dabei ausrasten und gehen mit einem Sack voller Kohle nach Hause.

Nein. Wir sind die DJs, die Musikwünsche spielen. Wir sind die DJs, die Geburtstage durchsagen und wir sind die DJs, die eigentlich das spielen, was die Leute hören wollen. Egal wie deprimierend,  nerv tötend oder schlecht das manchmal sein kann.

UND ICH WAR EINER VON IHNEN!

1. DIE CROWD

Zwei Jahre lang hast Du mich jeden Montag und Dienstag in einer dunklen kleinen Bar im Zentrum von London angetroffen. Dort legte ich meistens für eine Crowd aus jungen Medizinstudenten auf.

Aus meiner verdreckten und verklebten kleinen DJ Kanzel im Eck des Clubs, legte ich einen bunten Mix aus 50 Cent, J-Lo und Bryan Adams auf und haute mit meiner besten Kirmesstimme Geburtstagsgrüße raus. So sah Woche für Woche mein glamouröses Leben als DJ aus.

Für mich stand zwar die Musik im Vordergrund, aber für die meisten Leute war das eher nebensächlich. Die waren eher da, um die immer neuen Getränkespecials auszunutzen und am Ende des Abends jemanden abzuschleppen.

Der typische Abend eines Durschnittsgasts sah ungefähr so aus:

Er kam gerade noch rechtzeitig zur Happy-Hour, pfiff sich schnell ein paar Gin Tonic oder Kurze rein, schwang sich dann auf die Tanzfläche um ordentlich Abzuspacken, nur um mich dann anschließend anzumachen, warum die Musik heute so schlecht ist.

Dann – wenn er schon fast nicht mehr geradeauslaufen konnte – versuchte er verzweifelt jede Frau im Laden abzubaggern, in der Hoffnung auf ein bißchen verschwitze Zungen-Action.

Am Ende landetet er aber dann doch nur im Burgerladen nebenan, um sich aus lauter Frust zwei fettige Cheeseburger mit Pommes reinzuhauen, bevor es mit der Bahn wieder zurück nach Hause ging.

2. DER CLUB

Um ein blaues Auge oder womöglich noch eine Klage zu verhindern, sagen wir mal der Laden hieß „Los Cazios“. Abgesehen von den angehenden Ärzten dieses Landes, bestand das Publikum im Los Crazios hauptsächlich aus Touristen, Austauschstudenten, Büroangestellten, Junggesellenabschieden, Leuten die aus Versehen reingekommen sind und sonstigen Heimatlosen, die keine Ahnung wie, hier gelandet sind.

Wie Du dir vorstellen kannst, war es so gut wie unmöglich, dieses Publikum zufriedenstellen – zumindest aus der Sicht eines DJs. Deshalb glich ein Gig im Los Cazios weniger einer musikalische Reise, als vielmehr dem Versuch ein kaputtes Schiff, völlig betrunken durch einen Sturm in den Hafen zu steuern.

Die einzigen Hilfsmittel dabei: 90er Teen Pop, alte R&B Clasics und 80-iger Jahre Rock-Hymnen.

3. DIE MUSIK

Meine Aufgabe war es nicht die Leute zu unterhalten oder zu erziehen. NEIN! Meine Aufgabe war es, die Gäste davon abzuhalten, sich irgendwoanders daneben zu benehmen.

Ich sollte die Leute am Trinken halten. Nicht mehr und nicht weniger. Und was die Musikauswahl und meine Playlisten anging, war der Chef ziemlich deutlich:

Schau dass die Leute glücklich sind und heb dir das andere Zeug für jemanden auf, den es interessiert!

Und so spielte ich was immer die Leute sich von mir wünschten und lud fleißig immer die neuesten Hit-Singles von Ja Rule, Britney Spears oder R. Kelly runter. Und mit runterladen meine ich natürlich von Soulseek rippen und nicht offiziell bei einem offiziellen DJ Pool bezahlen. Sorry Musikindustrie (bzw. GEMA in Deutschland).

Und nicht nur, dass ich nix für die Tracks bezahlt habe, ich hab sie noch nicht einmal angehört. Bei jedem Gig stopfte ich mir am Anfang des Abends Ohrenstöpsel rein und holte sie erst am Ende des Abends wieder raus.

4. DIE DISKUSSIONEN

Ich hörte allerdings immer noch genug, um hitzige Debatten mit Mädels namens Megan zu führen, die komplett am Rad drehten, weil ich J-Kwon gespielt hatte, als sie gerade nicht da waren und mich jetzt weigerte, es nochmal zu spielen. Tatsächlich hatte ich mal erlebt, dass eine komplette Gruppe ihre Sachen packet und den Laden verließ, weil ich „Mariah Carey’s – Fantasy“ nicht 2 Mal hintereinander spielte. Obwohl es im Bad Boy Remix ein Hammer Track ist.

Und dann gab es noch die, die einfach nicht aufpassten:

GAST: „Spiel Justin Timberlake?!
ICH: „Das ist Justin Timberlake gerade.
GAST: „Nicht der Track.

Von dem Gespräch gab es unzählige Varianten:

Kannst Du was spielen, was meine Freunde mögen?
Kannst Du was spielen, was alle mögen?“
Kannst Du mal andere Musik spielen?“
Kannst Du was spielen, wozu man tanzen kann?“
Kannst Du was anderes spielen?“
Kann ich drei Vodka Bull und einen Jacky Cola bekommen?“

Und dann gab es da noch die Fragen, auf die kannst Du gar nicht antworten:

Was für Musik gibt es heute?
Weißt Du wo meine Kumpels sind?
Wann wird es hier besser?

Aber die Frage, auf die es mir immer am schwersten fiel, eine Antwort zu finden war:

Was für Musik hast Du?

Das war noch vor Serato, DJ Controller oder USB-Sticks. Also außer dem Typen einen alphabetisch sortierten Excel Ausdruck meiner kompletten Musiklibrary zu geben, konnte ich nicht viel machen, um den Wissendurst dieser jungen, wilden Clubber zu stillen.

Und so bestand so ein typischer Abend für mich aus Rumschreien, versuchen den Barleuten ausweichen, die Gäste davon abhalten meine CDs zu durchwühlen und mich nicht von dem ganzen billigen Bier zu übergeben, das ich auf Kosten des Hause trinken durfte, während ich mir die Ohropax bis zum Anschlag reinschob, um von alldem nichts mitzubekommen.

Beim DJing in so einer Location geht es nicht um Spannungsbögen, das Publikum lesen oder kreative Transitions. Hier geht es nicht um Masters at Work oder Michael Mayer. Hier geht es um „Crazy in Love“ und „Dirrty„, die in einem wilden Übergang zu „The Final Countdown“ von Europe oder Bon Jovi’s „Livin‘ on a Prayer“ werden, bei dem die Leute immer komplett am Rad drehten.

Und ja, natürlich drehte ich die Lautstärke beim Refrain runter, um zuzuschauen wie der komplette Laden „WOOO-AAAHHHH“ schrie, als gäbe es kein Morgen mehr.

Alles was ich machen konnte, war achselzuckend die nächste Kippe anzuzünden, um damit den Geruch von Erbrochenem und Bleiche zu überdecken, der von der Toilette hochkam und „Drop it like it’s Hot“ reinzuhauen.

Ach ja, was Du noch über das Los Crazios wissen solltest. Die DJ Kanzel konnte man nicht abschließen und war für jeden zugänglich. Eines Abends komm ich also von der Toilette zurück und der komplette Laden war still.

Vier junge Mädels hatten drei verschiedene, klebrige Shots schön über meinen Mixer verteilt, die Musik aus- und Strobos angemacht und beglückten die Leute mit einer Acapella-Version von „Dancing Queen„.

Ja und wenn die Leute nicht mitgröhlten, dann versuchten sie irgendwie Sex miteinander zu haben. Mitten im Laden.

Einmal erwischte ich ein Paar in einem dunklen Eck hinter der Bar, mit runtergelassener Hose auf dem dreckigen, vollgepissten und verklebten Boden liegend.

Und wenn sie das nicht machten, dann versuchten sie sich zu Schlägern. Ich sag versuchten, weil die Prügeleien, die ich beobachtete, eher halbherzige, erbärmliche Versuche von betrunkenen Typen waren, die sich seit der Schule nicht mehr geprügelt hatten und es eigentlich auch gar nicht wollten.

5. Das Ende

Nach 2 Jahren im Los Carzios konnte ich nicht mehr.

Das Fass zum Überlaufen brachte eine besonders sinnlose Diskussion mit einem Gast, der sich lautstark über meinen Mangel an Paul McCartney and Wings Songs beschwerte und dabei betonte er jedes Mal, dass es um die Gruppe „Paul McCartney and Wings“ ginge. Als ob die Welt überflutet wäre mit Bands, die Wings heißen.

Diesem angenehmen Gespräch folgte ein kürzerer, aber wesentlich erleuchtenderer Austausch, der irgendwie meine ganze Zeit hier in dem Laden zusammenfasste:

Kannst Du was spielen, das ich mag?“ fragte ein pausbäckiges Mädel völlig außer Atem. „Klar,“ antwortete ich, „natürlich“. „Super!

Sie rennt weg, ich spiele „Jump Around“ von House of Pain und warte bis es 3 Uhr wird. Danach gab ich meine Kündigung ab und kam nie wieder zurück.

Der Artikel erschien im englischen Original bei Thumb.Vice. Du kannst den kompletten Post hier nachlesen: Confessions of a Miserable College Bar DJ.

Google+ Tobias Laemmle

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{ 1 comment… add one }
  • Giuliano 23. März 2017, 13:12

    Geile storys 😉

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