- Einleitung
- DJ Tobander und Battle Of The DJs
- DJ Beatgee’s lange Pause und wie er wieder zum Auflegen kam
- VDJ aus Berlin für MDR Sputnik DVJ Wreckz n‘ Effectz
- DJ Cusher Networking und Selbstvermarktungsmaschine aus Stuttgart
- Robert Wong, vom Radio zum DJing und schließlich zum Blogger
- FourColorZack: Was bedeutet es hauptberuflich DJ zu werden
- DJ Eskei83: Tipps für Newcomer und was einen DJ ausmacht
- DJ Rewerb – Vom Hobby-Elektroniker und Schulpartys zum Resident DJ
„Wieso krieg ich keine DJ Bookings?“ Die Frage stellen sich viele neue junge DJs. Warum das so ist, habe ich letzte Woche versucht in einem Post versucht zu erklären. Es ist harte Arbeit und der erste Gig kommt bei niemandem so einfach von heute auf morgen. Einer der das genau weiß, ist DJ und Blogger-Kollege DJ Rewerb. Sein Werdegang ist ein tolles Beispiel dafür, wie sich Beharrlichkeit und die Liebe zur Musik irgendwann auszahlen und zu einem Resident Job führen können.
Gänsehaut. Hunderte Hände sind oben. Die Menge kreischt. Ich ziehe den Regler runter und lasse sie mitsingen. Ich bekomme Gänsehaut und einen irrsinnigen Adrenalin-Kick. Es ist fast wie Fallschirmspringen. Das sind meine größten Momente beim Auflegen. Ich genieße es jedes Mal auf die volle Tanzfläche zu schauen.
Der erste Club-Gig lief mir allerdings nur über den Weg, weil ich Gelegenheiten dazu schuf. Ohne meine Freunde, jahrelange Übung und Spaß an der Musik würde ich heute nicht hinter den Decks stehen. Der erste Gig ist kein plötzliches Ereignis, sondern das Ergebnis eines jahrelangen Prozesses und harter Arbeit. Außer, du wirst bei Youtube berühmt, dann brauchst du gar nicht weiterlesen.
Die wichtigste Erkenntnis meiner DJ-Reise: Gib niemals auf. Auch wenn dich niemand versteht und alle Personen um dich herum dir sagen, dass es sinnlos sei, was du machst. Versuche hinter die wirklichen Motive dieser Personen zu kommen. Manche sind neidisch, manche haben keine Vorstellung was es heißt auf einer Bühne zu stehen, und die meisten Leute sind schlichtweg zu faul und schalten lieber den Fernseher ein.
Aller Anfang ist schwer
Alles begann in den späten 1980er-Jahren mit einem Tape-Deck. Das war die Zeit der analogen Kassetten-Rekorder. Die Tonqualität war vergleichsweise miserabel. Aber ich konnte eigene Musik zusammenstellen und aufnehmen. Und das tat ich stundenlang, mit immer größerem Perfektionismus.
Ich war fasziniert von den Musikvideos eines Senders namens MTV, der gerade neu in das deutsche Kabelfernseh-Netz eingespeist wurde. Dort lief die Musik von DeLaSoul, Technotronic und Soul2Soul. In den ersten Privat-Radios legten DJs in der Samstagnacht auf und präsentierten ihre Mix-Künste live. Außerdem gab es nonstop gemixte Compilation-CDs und Remix-Versionen von Ben Liebrand sowie DMC (Disco Mix Club).
Das waren meine Vorbilder. Mein Taschengeld besserte ich mit Ferienjobs und der Verteilung von Werbezetteln auf. Von dem Geld kaufte ich mir ein Tape-Deck mit Hinterband-Kontrolle. Damit konnte ich die Kassetten soweit zurückdrehen, dass ich den nächsten Titel nahtlos anfügen konnte. Heute würde ich diese Kunst als Cutting mit einem Kassetten-Rekorder bezeichnen. Für das Beatmatching reichte meine technische Ausstattung noch lange nicht. Aber diese Kunstform kannten meine Schulfreunde sowieso noch nicht.
Musik, CDs und Elektronikbasteln waren meine Hobbys, die ich über das Zusammenschneiden von Musiktapes unter einen Hut brachte. In einer Zeit vor den Erfolgen von Steve Jobs und Mark Zuckerberg galten introvertierte Elektronik-Freaks bestimmt nicht als cool. Mein Leben bestand aus Leiterplatten, Hexadezimal-Zahlen und ich konnte auch noch Transistoren und ICs löten. Die BPM-Listen meiner Musik verwaltete ich natürlich in einer selbst geschriebenen Datenbank. Nerd!
Außerdem baute ich mir ein Mischpult und wusste, wie ich die Musikanlagen von allen Freunden zu einer PA umfunktionieren konnte. Laut genug für 400 Leute. Das war meine Legitimation als nerdiger Technikfreak, um überhaupt auf Partys eingeladen zu werden.
Veranstalte eigene Partys
Zusammen mit Freunden organisierten wir Schulpartys in Jugendräumen. In der Schule kannten wir genug Leute. Wir waren Teil der Zielgruppe. Aus heutiger Perspektive weiß ich, dass dies unser Vorteil war.
Innerhalb eines Schultags stellten wir die Werbekampagne zusammen. Mit Klebestiften und Schere bewaffnet, zerschnitten wir WOM-Hefte, zeichneten dazu, setzen ein Datum und die Location darauf. Fertig war die Druckvorlage. Diese wurde in einer Pause auf dem Schulkopierer vervielfältigt. Wenn die richtigen Typen den richtigen Mädels einen Flyer im Raucherhof in die Hand drückten, dann war die Party am Freitag im Gespräch. Dabei hießen A6-Handzettel zu dieser Zeit noch nicht „Flyer“.
Unsere Partys wurden zum Synonym für halb-legale Partys, die immer gesteckt voll sind. So erfolgreich, dass wir in den größten Gemeinderaum umzogen, den wir mieten konnten. Doch die Kirche vermietete uns die Jugendräume nicht sehr lange. Die Partys waren zu laut, zu voll und es wurde zu viel Alkohol getrunken. Wir fanden einen vorübergehenden Ausweg, indem immer andere Mädels die Räume für eine harmlose Geburtstagsparty mieteten. Über unsere Strohfrauen waren wir wieder im Spiel.
Damals ging es weniger um das Mixen von Musik, sondern wir hatten Spaß. Zu viert oder fünft standen wir hinter dem Mischpult, spulten Kassetten um, legten CDs ein und improvisierten Laser-Shows.
Da wir die Einnahmen der Partys ungefähr abschätzen konnten, mieteten wir bessere Mischpulte, Endstufen und Frequenzweichen. Unsere Technik wurde immer professioneller. Außerdem lernten wir mit dem Getränkehändler bessere Konditionen auszuhandeln. Garantiert konnten wir 24 Kästen Bier abnehmen.
Beatmatching muss jeder irgendwann lernen
Nach dem Abitur wurde es ruhiger um die Partyszene. Dabei sollte dies erst der Anfang sein. Ich kümmerte mich wieder mehr um die elektronische Seite. In der Elektronikbastel-Zeitschrift Elektor fand ich einen Artikel, der haarklein beschrieb, wie sich der Systemtakt eines CD-Players mit einer PLL-Schaltung manipulieren lässt. Der allererste Pitch-fähige CD-Player! Zu dieser Zeit träumten weder Denon noch Pioneer von dieser Technologie.
Also bastelte ich mir zwei CD-Player die Pitch-fähig waren. Und darauf lernte ich das Beatmatching. Dabei hatte ich keine Ahnung, wie ich zwei Songs ineinander mischen kann. Tage, Wochen und Monate quälte ich mich durch Off-Beat-Gewitter. Die CD-Player ließen sich nur 0,5% genau in der Geschwindigkeit regeln. Also musste ich dauernd nach-korrigieren. Hier ein wenig schneller, dort für vier Sekunden ein bisschen langsamer. Auf die harte Tour brachte ich mir das Beatmatching selbst bei. Hätte ich geahnt, dass der Stress jetzt erst richtig losgeht, dann hätte ich die ganze Elektronik vermutlich in die Ecke gefeuert.
Besorg dir einen DJ Mentor
Später kamen zwei Technics-Plattenspieler meines Bruders dazu. Und ich fing an für Partys von Freunden aufzulegen. Darüber lernte ich meinen DJ-Mentor kennen, der mich zu Hochzeiten und Betriebsfesten mitnahm. Parallel zu meiner Ausbildung als Radio- und Fernsehtechniker absolvierte ich meine Lehrjahre als DJ. Gelegentlich durfte ich eine Scheibe auflegen und spielte auch mal die Tanzfläche leer. So vergingen die Jahre. Ich lernte viel, ohne zu merken, dass ich mittlerweile stundenlang auflegen konnte.
Über den Freund, mit dem ich früher die Schulpartys veranstaltete, bekam ich dann die Gelegenheit für meinen ersten Club-Gig. Die angesagteste Location meiner Heimatstadt Erlangen suchte einen zweiten DJ für House und RnB. Da ich den gleichen Sound spielte und mein Freund den Resident-DJ vom Fußball kannte, kam mein Name ins Gespräch.
Genieße deine ersten richtigen Gigs
An einem Samstag-Abend durfte ich auflegen. Und war danach am Ziel: Resident-DJ im besten Club der Stadt, einer Szene-Kneipe mit Restaurant. Von nun an setzte ich die musikalischen Trends in Erlangen. Der DJ-Bereich bestand aus einem Doppel-CD-Player und einem Mischpult das in die Gläserablage der Bar eingebaut war. Den ganzen Abend schaute ich gegen die Wand und hatte das Publikum im Rücken. Nach jedem Übergang musste ich mich also umdrehen, um die Reaktionen zu prüfen. Trotzdem fühlte ich mich wohl, weil ich nicht besonders im Mittelpunkt stand. Die Barkeeper feuerten die Gäste an und pünktlich um 24 Uhr hatten wir die Stimmung so weit hoch gepuscht, dass 900 Gäste regelmäßig ausflippten.
Stelle dir vor, was bei diesen Partys wohl passiert wäre, wenn ich als DJ das Publikum aktiv animiert hätte? Hätte ich nur einmal meine Hände hoch gerissen, mitgeklatscht oder mitgesungen. Die Leute hätten mir aus der Hand gefressen. Das weiß ich aber erst, nachdem ich es 10 Jahre später ausprobierte. Die Reaktion des Publikums hat mich umgehauen. Ich bekam Gänsehaut und war total geflasht. Seitdem feure ich die Leute bei jedem Gig an.
Fazit…
Der erste Gig ist kein zufälliges Ereignis, das irgendwie passieren wird. Als DJ auflegen ist ein langer, beschwerlicher Weg, den fast niemand bis zum Ende gehen wird. Setze deine Kopfhörer auf und mache weiter. Wenn du nichts tust, wirst du keine Fehler machen, nie einen Mix live vor Publikum verhauen – aber du kannst auch nicht aus deinen Fehlern lernen.
Fast täglich erfahre ich, wie es nicht funktioniert und lerne dazu. Aber nach hundert Rückschlägen wartet vielleicht ein kleiner Schritt vorwärts. Für mich fing die Reise an, als ich herausfand wie viele Millimeter ich das Tonband meines Tapedecks zurückdrehen musste.
Kurz-Biografie DJ Rewerb (Thorsten Weber)
Mittlerweile bin ich seit einem Viertel Jahrhundert DJ. Vorurteile über DJs kümmern mich nicht mehr allzu viel. Weiterhin arbeite ich mir jeden Tag die Finger wund, um neue Gigs an Land zu ziehen, blogge über das Auflegen auf meiner Webseite Rewerb.com und habe Spaß, wenn ich die Tanzflächen kicken kann.
Und jede Woche veröffentliche ich eine Mix-Show als Podcast, unter Houseschuh.com/podcast. Als Resident-DJ darf ich regelmäßig das Publikum im E-Werk, Erlangen und im Terminal90, Nürnberg begeistern. Außerdem war ich als Booking-DJ schon bis nach Lüdenscheid, Berlin und Graz unterwegs. Ein paar Mal spielte ich sogar schon während der Winter Music Conference in Miami. Diese Gigs passierten nur, weil mich der Bar-Chef meines ersten Clubs nach 10 Jahren der Marketing-Leiterin eines Fitness-Studios empfahl. Und bei diesem Gig spielte ich ein Lied, das sie vorher nur von einem befreundeten DJ in Miami kannte. Darüber kamen wir ins Gespräch und viele Facebook-Kontakte später stand ich im Nikki Beach.
DJ Rewerb – Cheat-Sheet
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